Eis Eis Baby ...
Die Uhren ticken hier anders, die Kalenderblätter folgen nicht den gewohnten mitteleuropäischen Naturgesetzen. Kein Wunder, dass ich etwas in Verzug geraten bin und euch viele Geschichten, schöne Erinnerungen und Abenteuer enthalten habe.
Vorgestern, mittlerweile schon vor einer Woche, war hier „старый новый год – Starij Novij God – altes neues Jahr“. Das wollte ich eigentlich zum Anlass nehmen, um endlich mit dem Blog ins neue Jahr zu starten. Naja, die Möglichkeit hab ich dann wohl versäumt. Dafür hat sich eine neue aufgetan: Heute waren Lisa und ich Eisschwimmen. Brrr, kalt, aber es hat sich gelohnt!
Schon vor über einem Monat haben wir beschlossen, am 19. Jänner, da haben wir was vor! Wir nehmen am alljährlichen Eisschwimmen teil, das hier in St. Petersburg an diesem Tag an mehreren Stellen durchgeführt wird. Unsere Freundin Alisa hat alles organisiert, und so standen wir heute um halb eins bei der Metrostation Vasileostrovskoe und warteten gespannt auf den Beginn unseres Abenteuers.
Hmm, um ehrlich zu sein, war mir heute Morgen beim Aufstehen schon kalt, nach dem Duschen auch noch, und auch beim Anziehen. Uff, und es war alles andere als warm, als ich schließlich auf dem Gehsteig Richtung Bushaltestelle spazierte, fest entschlossen, oder doch nicht?!, die geplante Aktion durchzuziehen. Es kam mir vor, als würden sich alle Leute, die mich so eingemummt und mit dem vollgestopften Überlebens-Rucksack bestückt sahen, genau wissen, wo sich mein Ziel befand, was es mit meinen Gedanken auf sich hatte und vor allem, wie kalt mir war. Ihre Blicke schienen mich schon auszulachen, mein Vorhaben ins lächerliche zu ziehen und mir zu prophezeien, dass heute nicht einmal meiner kleiner Zeh frische Luft schnappen würde, geschweige denn mein ganzer Körper in Sommer-Strand-und-Palmen-Outfit über das Neva-Ufer schlendern würde um sich schließlich ins kalte (eiskalte) Nass zu begeben. Hmm … mal abwarten.
Der kalte Wind preschte über meine schon knallroten Wangen und wollte mir vorschlagen, vl doch den Schritt zurück ins Warme zu wagen. Aber, da kann man nichts machen, „душа просит“, was so viel bedeutet, wie „die Seele bittet darum/die Seele verlangt danach“. Wonach? Na klar, nach Abenteuer, nach Schritten auf Neuland, nach Schwimmen im Eis.
Alisa hat uns wie vereinbart bei der Metrostation abgeholt, froh im warmen Auto zu sitzen ging‘s Los: Alisa (Fahrer), Dan (Co-Pilot), Lisa und Tini (Initiatoren). Wohlwissend was wir alle dachten, sahen wir uns vor dem Aussteigen noch mal in die verunsicherten Augen – sollen wir wirklich? Uff. Na klar. Давай/Davaj!
Auf unserem Streifzug über die Haseninsel, wie die Insel, auf der sich die Петропавловская крепость /Petropavlovskaja Krepost‘/Peter-Pauls-Festung befinden, auch liebe voll genannt wird, trafen wir hie und da auf Menschen mit auffällig gefüllten Plastiksackerln (nasses Handtuch und Badesachen). Das waren sie, unsere Mitstreiter, sie hatten den Gang ins erfrischende, befreiende, kühle Nass schon hinter sich. Als wir schließlich auf der anderen Seite der Festung wieder hinauskamen, nach rechts abbogen und uns der Wind so spöttisch so richtig entgegenschlug, hatten wir unser Ziel erreicht.
Wir sahen eine kleine Menschenansammlung am Fuße der Peter-Pauls-Festung, wo die Neva leicht zu erreichen ist. Sie hatten sich der Wand entlang in kleinen Gruppen aufgestellt, die Anziehsachen auf kleine Haufen zusammengeworfen, keine beheizten Zelte oder Ähnliches, keine Rettungsmannschaft für Notfälle, kein unnötiger Schnickschnack. Die einen waren schon fertig, die anderen hatte den es noch vor sich. So gesellten wir uns zur Runde dazu, suchten einen Platz, wo wir uns ausziehen konnten und gehörten dazu. Nach wenigen Sekunden stand schon eine Frau mit Kamera vor Lisa und mir uns wollte von uns erfahren, was wir denn von der крещение bzw. vom окунуться в прорубь erwarteten. Hmm … was erwarteten wir uns?
Крещение/Kreshenie bedeutet soviel wie Taufe. Dieses ganze Ritual des Eisschwimmens gilt eigentlich als Erneuerung des Taufgelübtes und wie in diesem Artikel von der heutigen Kleinen Zeitung beschrieben, http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/chronik/2926239/moskauer-befreiten-sich-eisbad-suenden.story, befreit man sich von den Sünden. Ich wusste nicht so recht, was antworten. Auf der einen Seite, ja, wie in der Kleinen Zeitung beschrieben, es war eine Mutprobe. Aber eher eine Mutprobe für uns selbst. Wir, Lisa und ich, haben dieses Semester so viel Geniales erlebt, das wollte wir schön abrunden, einen würdigen Abschluss dafür finden. Und jedes Ende ist ein Neuanfang. In diesem Sinne habe ich geantwortet, dass wir zwei Austauschstudentinnen hier in St. Petersburg sind und dass wir während der Monate hier so viel Schönes erlebt haben, dass unsere Zeit nun zu Ende geht, dass dieses Eintauchen in das Eis ein Ende und Neubeginn ist. Dass es auch einen Beweis und ein Zeichen unserer Freundschaft darstellt.
So, fertig ausgezogen, ging’s los zum „Strick“, der von der Festungsmauer ins das Eisloch führte. An ihm konnte man sich festhalten, um über den vereisten kleinen Hügel ins Wasser abzusteigen. Hmm, Problem – das Seil selbst war komplett vereist, das heißt: Halt = 0. Tja, trotzdem haben Lisa und ich es (gemeinsam!) geschafft, wir haben unser Schicksal (das Seil) in die Hand genommen, sind tapfer ‚hügelab‘ marschiert, rein ins Wasser, dreimal bis zu den Ohren untergetaucht, raus aus dem Wasser, versucht, am vereisten Seil über den vereisten Hügel (was mit eisigkalten nassen Füßen sehr spaßig ist) hinauf Richtung Schuhe, Handtuch und Kleidung zu gelangen.
Uff, wir haben’s geschafft!!!! ((: Unsere Hände haben sich zwar wie Krabbenscheren und unsere Füße wie unbewegliche Eisklumpen angefühlt, aber was soll’s? Душа просит und wir haben natürlich nachgegeben und alles getan, um sie zufrieden zu stellen. ((:
ein tapferer Russe
Alisa war so nett und hat vorsorglich Tee für uns mitgebracht, hat Fotos gemacht, hat Handtücher gehalten, Schuhe zugebunden (danke, das hätten meine Finger nicht geschafft), beim Anziehen geholfen, lästigen Reportern erklärt, dass wir sie nicht verstehen, ist auch Dan mit Rat und Tat zur Seite gestanden, hat den Tag zu dem Erfolg gemacht, der er schließlich für uns war!
Dan, unser Londoner Weggefährte, wurde während den Vorbereitungen, während dem Warten und nach dem Untertauchen (ja, er hat es über die Ohren hinausgewagt und hat sich ganz den kühlen Strömen der Neva hingegeben) von einem Fernsehteam interviewt, Lisa meint eine Norwegische Flagge an der Kamera gesehen zu haben. Dan hat sich tapfer gegeben, und hat sich mit uns soooo gefreut, dass wir alle das wirklich gemacht haben!
Danke für diesen schönen Tag, danke für dieses einzigartige Erlebnis, danke es nicht allein gemacht zu haben, danke, dass unsere Finger, Zehen, Hände und Füße wieder voll durchblutet sind, danke, dass das Leben jeden Tag Möglichkeiten bietet, die es uns möglich machen, immer wieder aufs Neue zu beweisen, dass das Leben einfach wunderbar ist ((:
PS: ich hoffe, dass ich in nächster Zeit den Dezember noch mal aufrollen werde und ein paar Erlebnisse mit euch teile, das bin ich euch auf jeden Fall schuldig ...
Vorgestern, mittlerweile schon vor einer Woche, war hier „старый новый год – Starij Novij God – altes neues Jahr“. Das wollte ich eigentlich zum Anlass nehmen, um endlich mit dem Blog ins neue Jahr zu starten. Naja, die Möglichkeit hab ich dann wohl versäumt. Dafür hat sich eine neue aufgetan: Heute waren Lisa und ich Eisschwimmen. Brrr, kalt, aber es hat sich gelohnt!
Schon vor über einem Monat haben wir beschlossen, am 19. Jänner, da haben wir was vor! Wir nehmen am alljährlichen Eisschwimmen teil, das hier in St. Petersburg an diesem Tag an mehreren Stellen durchgeführt wird. Unsere Freundin Alisa hat alles organisiert, und so standen wir heute um halb eins bei der Metrostation Vasileostrovskoe und warteten gespannt auf den Beginn unseres Abenteuers.
Hmm, um ehrlich zu sein, war mir heute Morgen beim Aufstehen schon kalt, nach dem Duschen auch noch, und auch beim Anziehen. Uff, und es war alles andere als warm, als ich schließlich auf dem Gehsteig Richtung Bushaltestelle spazierte, fest entschlossen, oder doch nicht?!, die geplante Aktion durchzuziehen. Es kam mir vor, als würden sich alle Leute, die mich so eingemummt und mit dem vollgestopften Überlebens-Rucksack bestückt sahen, genau wissen, wo sich mein Ziel befand, was es mit meinen Gedanken auf sich hatte und vor allem, wie kalt mir war. Ihre Blicke schienen mich schon auszulachen, mein Vorhaben ins lächerliche zu ziehen und mir zu prophezeien, dass heute nicht einmal meiner kleiner Zeh frische Luft schnappen würde, geschweige denn mein ganzer Körper in Sommer-Strand-und-Palmen-Outfit über das Neva-Ufer schlendern würde um sich schließlich ins kalte (eiskalte) Nass zu begeben. Hmm … mal abwarten.
Der kalte Wind preschte über meine schon knallroten Wangen und wollte mir vorschlagen, vl doch den Schritt zurück ins Warme zu wagen. Aber, da kann man nichts machen, „душа просит“, was so viel bedeutet, wie „die Seele bittet darum/die Seele verlangt danach“. Wonach? Na klar, nach Abenteuer, nach Schritten auf Neuland, nach Schwimmen im Eis.
Alisa hat uns wie vereinbart bei der Metrostation abgeholt, froh im warmen Auto zu sitzen ging‘s Los: Alisa (Fahrer), Dan (Co-Pilot), Lisa und Tini (Initiatoren). Wohlwissend was wir alle dachten, sahen wir uns vor dem Aussteigen noch mal in die verunsicherten Augen – sollen wir wirklich? Uff. Na klar. Давай/Davaj!
Auf unserem Streifzug über die Haseninsel, wie die Insel, auf der sich die Петропавловская крепость /Petropavlovskaja Krepost‘/Peter-Pauls-Festung befinden, auch liebe voll genannt wird, trafen wir hie und da auf Menschen mit auffällig gefüllten Plastiksackerln (nasses Handtuch und Badesachen). Das waren sie, unsere Mitstreiter, sie hatten den Gang ins erfrischende, befreiende, kühle Nass schon hinter sich. Als wir schließlich auf der anderen Seite der Festung wieder hinauskamen, nach rechts abbogen und uns der Wind so spöttisch so richtig entgegenschlug, hatten wir unser Ziel erreicht.
Wir sahen eine kleine Menschenansammlung am Fuße der Peter-Pauls-Festung, wo die Neva leicht zu erreichen ist. Sie hatten sich der Wand entlang in kleinen Gruppen aufgestellt, die Anziehsachen auf kleine Haufen zusammengeworfen, keine beheizten Zelte oder Ähnliches, keine Rettungsmannschaft für Notfälle, kein unnötiger Schnickschnack. Die einen waren schon fertig, die anderen hatte den es noch vor sich. So gesellten wir uns zur Runde dazu, suchten einen Platz, wo wir uns ausziehen konnten und gehörten dazu. Nach wenigen Sekunden stand schon eine Frau mit Kamera vor Lisa und mir uns wollte von uns erfahren, was wir denn von der крещение bzw. vom окунуться в прорубь erwarteten. Hmm … was erwarteten wir uns?
Крещение/Kreshenie bedeutet soviel wie Taufe. Dieses ganze Ritual des Eisschwimmens gilt eigentlich als Erneuerung des Taufgelübtes und wie in diesem Artikel von der heutigen Kleinen Zeitung beschrieben, http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/chronik/2926239/moskauer-befreiten-sich-eisbad-suenden.story, befreit man sich von den Sünden. Ich wusste nicht so recht, was antworten. Auf der einen Seite, ja, wie in der Kleinen Zeitung beschrieben, es war eine Mutprobe. Aber eher eine Mutprobe für uns selbst. Wir, Lisa und ich, haben dieses Semester so viel Geniales erlebt, das wollte wir schön abrunden, einen würdigen Abschluss dafür finden. Und jedes Ende ist ein Neuanfang. In diesem Sinne habe ich geantwortet, dass wir zwei Austauschstudentinnen hier in St. Petersburg sind und dass wir während der Monate hier so viel Schönes erlebt haben, dass unsere Zeit nun zu Ende geht, dass dieses Eintauchen in das Eis ein Ende und Neubeginn ist. Dass es auch einen Beweis und ein Zeichen unserer Freundschaft darstellt.
So, fertig ausgezogen, ging’s los zum „Strick“, der von der Festungsmauer ins das Eisloch führte. An ihm konnte man sich festhalten, um über den vereisten kleinen Hügel ins Wasser abzusteigen. Hmm, Problem – das Seil selbst war komplett vereist, das heißt: Halt = 0. Tja, trotzdem haben Lisa und ich es (gemeinsam!) geschafft, wir haben unser Schicksal (das Seil) in die Hand genommen, sind tapfer ‚hügelab‘ marschiert, rein ins Wasser, dreimal bis zu den Ohren untergetaucht, raus aus dem Wasser, versucht, am vereisten Seil über den vereisten Hügel (was mit eisigkalten nassen Füßen sehr spaßig ist) hinauf Richtung Schuhe, Handtuch und Kleidung zu gelangen.
Uff, wir haben’s geschafft!!!! ((: Unsere Hände haben sich zwar wie Krabbenscheren und unsere Füße wie unbewegliche Eisklumpen angefühlt, aber was soll’s? Душа просит und wir haben natürlich nachgegeben und alles getan, um sie zufrieden zu stellen. ((:
ein tapferer Russe
Alisa war so nett und hat vorsorglich Tee für uns mitgebracht, hat Fotos gemacht, hat Handtücher gehalten, Schuhe zugebunden (danke, das hätten meine Finger nicht geschafft), beim Anziehen geholfen, lästigen Reportern erklärt, dass wir sie nicht verstehen, ist auch Dan mit Rat und Tat zur Seite gestanden, hat den Tag zu dem Erfolg gemacht, der er schließlich für uns war!
Dan, unser Londoner Weggefährte, wurde während den Vorbereitungen, während dem Warten und nach dem Untertauchen (ja, er hat es über die Ohren hinausgewagt und hat sich ganz den kühlen Strömen der Neva hingegeben) von einem Fernsehteam interviewt, Lisa meint eine Norwegische Flagge an der Kamera gesehen zu haben. Dan hat sich tapfer gegeben, und hat sich mit uns soooo gefreut, dass wir alle das wirklich gemacht haben!
Danke für diesen schönen Tag, danke für dieses einzigartige Erlebnis, danke es nicht allein gemacht zu haben, danke, dass unsere Finger, Zehen, Hände und Füße wieder voll durchblutet sind, danke, dass das Leben jeden Tag Möglichkeiten bietet, die es uns möglich machen, immer wieder aufs Neue zu beweisen, dass das Leben einfach wunderbar ist ((:
PS: ich hoffe, dass ich in nächster Zeit den Dezember noch mal aufrollen werde und ein paar Erlebnisse mit euch teile, das bin ich euch auf jeden Fall schuldig ...
Tini7 - 19. Jan, 17:26